Im ersten Teil dieses Beitrags ging es um typische Fehler bei der Einberufung von GmbH-Gesellschafterversammlungen und deren Folgen. In diesem zweiten Teil steht die Durchführung einer Gesellschafterversammlung im Fokus. Auch hier lauern zu vermeidende Fallstricke.
Das wesentliche Ziel einer Gesellschafterversammlung ist es, den Mehrheitswillen der Gesellschafter zu ermitteln und dabei das Teilnahmerecht jedes einzelnen Gesellschafters zu wahren. Deshalb ist bei der Durchführung einer Gesellschafterversammlung stets ein ordnungsgemäßer Ablauf sicherzustellen.
Folgen von Mängeln bei der Durchführung der Gesellschafterversammlung
Wie auch bei Einberufungsmängeln (vgl. Teil 1) sind die Rechtsfolgen von Mängeln bei der Durchführung von Gesellschafterversammlungen im GmbH-Gesetz nicht geregelt. Nach allgemeiner Auffassung finden aber die Vorschriften des Aktienrechts zur Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen entsprechende Anwendung. Es wird daher zwischen nichtigen und „nur“ anfechtbaren Beschlüssen unterschieden.
Besonders schwerwiegende Durchführungsfehler (etwa Nichtbeurkundung eines satzungsändernden Beschlusses) führen (automatisch) zur Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses (§ 241 AktG).
Doch auch bei Verstößen gegen Durchführungsvorschriften, welche keinen Nichtigkeitsgrund darstellen, kann ein dennoch gefasster, aber anfechtbarer Beschluss unwirksam werden. Dies geschieht im Gegensatz zu nichtigen Beschlüssen nicht automatisch, sondern durch erfolgreiche Geltendmachung mittels Anfechtungsklage (vgl. Teil 1).
Um diese Rechtsfolgen zu vermeiden, sollten insbesondere die nachfolgenden Punkte bei der Durchführung einer Gesellschafterversammlung beachtet werden.
Teilnahmerecht
Grundsätzlich hat jeder Gesellschafter ein Recht auf Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung. Wer gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter anzusehen ist, ergibt sich abschließend aus der im Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste.
Hinweis: In der Praxis wird gelegentlich die eigenständige Bedeutung des Teilnahmerechts in Abgrenzung vom Stimmrecht übersehen. Aus diesem Grund muss auch ein Gesellschafter zur Versammlung eingeladen werden, der von der Abstimmung gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG ausgeschlossen ist; etwa wenn es um die Einziehung dessen Geschäftsanteils aus wichtigem Grund geht. Das Stimmverbot führt nur zu einem punktuellen Ausschluss von der Stimmabgabe, ohne dass die übrigen Mitgliedschaftsrechte berührt werden.
Der Geschäftsführer der Gesellschaft hat kein eigenes Teilnahmerecht und zwar auch dann nicht, wenn die Gesellschaft eigene Anteile hält. Er ist aber verpflichtet, an einer Versammlung Teilzunehmen, wenn ihn die Gesellschafterversammlung entsprechend anweist.
Das Teilnahmerecht umfasst neben dem Recht auf Anwesenheit auch das Recht auf Teilhabe an der Beratung zu Versammlungsgegenständen. Einschränken oder gar ausschließen lässt sich das Teilnahmerecht durch Satzungsregelung oder Gesellschafterbeschluss nur im absoluten Ausnahmefall. Ein solcher kann etwa vorliegen, wenn das Risiko besteht, dass einem Konkurrenten der Gesellschaft bei einer unbeschränkten Teilnahme wesentliche Informationen zugänglich gemacht würden (höchstrichterlich umstritten).
Werden Beschlüsse gefasst, obwohl das Teilnahmerecht eines Gesellschafters verletzt wurde, sind diese nach der Rechtsprechung des BGH in analoger Anwendung des § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Unerheblich ist dabei, ob die Verletzung des Verfahrensfehlers für das Beschlussergebnis kausal geworden ist oder nicht.
Vertretung in der Gesellschafterversammlung
Es gibt Konstellationen, in denen anstelle eines Gesellschafters dessen Vertreter an der Versammlung teilnimmt.
Handelt es sich bei einem Gesellschafter etwa um einen Minderjährigen oder ist für den Gesellschafter ein Betreuer bestellt, wird dieser durch den gesetzlichen Vertreter vertreten.
Ist der Gesellschafter selbst eine Gesellschaft, nimmt an Gesellschafterversammlungen der Vorstand (bei der AG), die Geschäftsführung (bei der GmbH und bei der GmbH & Co. KG) oder der geschäftsführende Gesellschafter (OHG, KG und GbR) teil. Gibt es mehrere Vertretungspersonen, ist bei Alleinvertretungsberechtigung grundsätzlich nur ein einzelner Vertreter zur Versammlung zuzulassen. Umstritten ist die Frage, ob in Fällen von Gesamtvertretung die zur Vertretung erforderliche Anzahl an Vertretern teilnahmeberechtigt ist oder ob dem Gesellschafter nur für einen Vertreter ein Teilnahmerecht zukommt und er somit einen einzelnen Vertreter ermächtigen muss.
Da das Teilnahmerecht keinen höchstpersönlichen Charakter hat, kann ein Gesellschafter unabhängig von den vorgenannten (gesetzlichen) Vertretungsfällen einem Dritten eine rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilen. In diesem Fall besteht für den Gesellschafter selbst grundsätzlich kein Teilnahmerecht. An dessen Stelle ist der Bevollmächtigte zuzulassen. Die Vollmacht ist aber frei widerruflich– und somit auch noch während einer laufenden Versammlung.
Die rechtsgeschäftliche Vollmacht bedarf grundsätzlich der Textform (§ 126b BGB). Sie ist also entweder schriftlich oder elektronisch oder per Fax zu erteilen. In der Satzung kann aber auch auf eine bestimmte Form verzichtet oder umgekehrt ein strengeres Formerfordernis aufgestellt werden.
Zu Problemen in der Praxis kommt es immer wieder, wenn ein Gesellschafter an einer Versammlung zusammen mit seinem Berater oder Beistand teilnehmen möchte. Grundsätzlich haben Berater oder sonstige Gäste kein Teilnahmerecht. Hierfür bedarf es einer entsprechenden Satzungsregelung oder eines Mehrheitsbeschlusses der Gesellschafter. Welche Rechte der Dritte aufgrund seiner Zulassung zur Versammlung ausüben darf, ist durch Auslegung im Einzelfall zu klären. In Betracht kommt neben einem bloßen Anwesenheitsrecht insbesondere auch ein Rederecht.
In bestimmten Ausnahmefällen hat ein Gesellschafter aber einen Anspruch auf Zulassung seines Beraters. Und zwar beispielsweise, wenn schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden sollen, dem Gesellschafter die hierfür erforderliche Sachkunde fehlt und die Interessen der anderen Gesellschafter nicht überwiegen.
Versammlungsleitung
Nach dem Gesetz ist ein Versammlungsleiter bei der GmbH nicht zwingend erforderlich. Oftmals enthalten GmbH-Satzungen aber Regelungen zur Versammlungsleitung und legen zum Teil auch die Person fest. Auch ohne Satzungsbestimmung kann die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit einen Versammlungsleiter bestimmen. Gerade bei größerem Gesellschafterkreis oder streitigen Versammlungen wird dies für einen geordneten Ablauf der Versammlung unerlässlich sein.
Bei der Person des Versammlungsleiters muss es sich nicht zwingend um einen Gesellschafter handeln. In Betracht kommen neben dem Geschäftsführer auch sonstige Dritte (etwa ein Rechtsanwalt).
Der Versammlungsleiter hat für eine sachgemäße Erledigung der Versammlung zu sorgen. Hierfür ist er mit umfangreichen Kompetenzen ausgestattet, zu denen neben der Zulassung zur Teilnahme, der Bestimmung der Reihenfolge und dem Aufruf der Beschlussgegenstände auch die Durchführung und Feststellung der Abstimmung gehören. Daneben kann er das Wort erteilen, die Redezeit ggf. beschränken und erforderlichenfalls Ordnungsmaßnahmen ergreifen.
Nicht von seiner Leitungskompetenz umfasst sind die Streichung von Tagesordnungspunkten oder der Abbruch und die Vertagung der Versammlung.
Da der Versammlungsleiter seine Funktion von der Gesellschafterversammlung ableitet, kann diese seine Maßnahmen grundsätzlich wieder aufheben und/oder eigene Maßnahmen beschließen.
Hat der Versammlungsleiter eine unzulässige Ordnungsmaßnahme ergriffen (insbesondere unrechtmäßige Verweisung) und wurde dennoch ein Beschluss gefasst, ist dieser anfechtbar; und zwar ohne dass es auf die (potentielle) Kausalität für das Beschlussergebnis ankommt.
Fragerecht von Gesellschaftern
Im Gegensatz zum Aktionär einer Aktiengesellschaft, der sein Auskunftsrecht ausschließlich in der Hauptversammlung ausüben kann, steht dem Gesellschafter einer GmbH ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtsrecht zu, dem auf Verlangen unverzüglich zu entsprechen ist (§ 51a Abs. 1 GmbHG). Fragen in Gesellschafterversammlungen sind ohne schuldhaftes Verzögern und somit zumeist noch in der Versammlung zu beantworten, sofern die Information zur Beurteilung der Tagesordnungspunkte erforderlich ist und die Erteilung möglich ist. Hierfür muss der Geschäftsführer der Versammlung zur Verfügung stehen. Tut er dies trotz bestehenden Aufklärungsbedarfs nicht, kann dies die Anfechtbarkeit von Beschlüssen nach sich ziehen.
Abstimmung
Im unmittelbaren Anschluss an die Beratung zu Beschlussgegenständen findet die entsprechende Abstimmung statt.
Sofern nicht nach Gesetz oder Satzung qualifizierte Mehrheitserfordernisse bestehen, kommen Beschlüsse mit einfacher Mehrheit zustande. Dabei sind nur zustimmende und ablehnende Stimmabgaben der stimmberechtigten Teilnehmer zu zählen. Enthaltungen und ungütige Stimmen haben grundsätzlich keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis. In der Satzung kann aber auch geregelt sein, dass Stimmenthaltungen, und unter Umständen auch ausgeschlossene Stimmen, mitzuzählen sind. Im Falle einer Stimmgleichheit gilt der Beschuss vorbehaltlich abweichender Satzungsregelung als abgelehnt.
Beschlussfeststellung und Protokollierung
Bei der GmbH (abgesehen von der Ein-Mann-GmbH, hier gilt § 48 Abs. 3 GmbHG) ist zur Wirksamkeit von Beschlüssen nach dem Gesetz im Gegensatz zur Aktiengesellschaft eine formelle Feststellung über Annahme oder Ablehnung eines Beschlussantrags durch den Versammlungsleiter nicht erforderlich. Die Satzung kann die Beschlussfeststellung aber zum Wirksamkeitserfordernis machen. Wurde ein Versammlungsleiter bestellt, wird eine Protokollierungspflicht überwiegend angenommen.
Etwas Anderes gilt bei Satzungsänderungen oder Beschlüssen nach dem Umwandlungsgesetz. Hier ist die Protokollierung in Form der notariellen Beurkundung zwingend. Inhaltlich ist ein derart anzufertigendes Protokoll im Gegensatz zum Protokoll bei der Aktiengesellschaft deutlich reduziert. Denn im Gegensatz zum Aktienrecht muss der Notar weder einen Widerspruch zur Niederschrift gegen die Beschlussfassung (Ausnahme bei Mischverschmelzungen, § 29 UmwG) noch unbeantwortet gebliebene Fragen eines Gesellschafters zu Protokoll nehmen.
Praxistipps
Wie gesehen ergeben sich nicht nur bei der Einladung, sondern auch bei der Durchführung von Gesellschafterversammlungen eine Vielzahl von Fehlerquellen. Schlimmstenfalls ziehen diese die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses nach sich.
Gesellschafterversammlungen sollten daher mit größter Sorgfalt vorbereitet werden.
Hierfür ist es aus unserer Sicht unerlässlich, vorab den betreffenden Gesellschaftsvertrag und ergänzend die Vorschriften im GmbHG genau zu studieren.
Sind besonders kritische oder mit weitreichenden Konsequenzen verbundene Beschlussfassungen geplant, kann es zudem Sinn machen, zusätzlichen Expertenrat einzuholen und sich somit frühzeitig gegen mögliche Einwände gegen die Wirksamkeit von Beschlüssen zu wappnen.
Autor: Michael Usselmann, Melchers Law