Was können „Smart Contracts“?

Kategorie: Allgemein

Als „Smart Contract“ der analogen Welt könnte man sehr vereinfacht ein Formular mit Kästchen zum Ankreuzen bezeichnen. Der Text wird durch das Ankreuzen individualisiert und – je nach Antwort – ergibt sich eine bestimmte Konsequenz oder Rechtsfolge.

Einem ähnlichen System folgen sog. „Smart Contracts“. Es handelt sich um Software, deren Mechanismus einer „Wenn-Dann-Logik“ folgt. Smart Contracts stellen Regeln auf, die für einen bestimmten Sachverhalt eine tatsächliche oder rechtliche Folge vorsehen. Leistung und Gegenleistung, oder allgemeiner: Bedingung und Aktion, sind in der Software genau festgelegt. Das Programm ist dann in der Lage, zu überprüfen und zu dokumentieren, ob die vertragsgemäße Leistung erbracht wurde. Ziel ist eine manipulationssichere und automatische Ausführung, insbesondere für massenhaft wiederkehrende und einfach gelagerte Sachverhalte. Diese müssen digital klar definiert und abgebildet werden können. Leistungsstörungen sollten nach Möglichkeit ausgeschlossen sein.

Smart Contracts sind vor allem im Zusammenhang mit der Blockchain-Technologie Gegenstand der Diskussion; diese ist allerdings keine Voraussetzung für ihre Nutzung. Anwendungsbeispiele aus der Lebensrealität außerhalb der Finanz- und IT- Branche: die Freigabe des Schlosses bei einem Mietfahrrad über das Smartphone bei Zahlungseingang („Smart Lock“), die automatische Auszahlung einer Entschädigungszahlung im Falle von Flugausfällen bei Abschluss einer hierfür speziell angebotenen Versicherung. Auch im eCommerce und der Paketdienstleistungsbranche bietet sich ein breites Anwendungsfeld: Smart Contracts können hinterlegte Zahlungen nach Wareneingang automatisch freigeben, was sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer eine rechtssichere Ausführung gewährleistet.

Smart Contracts ermöglichen daher vor allem eine Automatisierung in der Vertragsdurchführung. Sie sind selbst keine „Verträge“ im Rechtssinne, sondern setzen üblicherweise einen Vertrag voraus. Dieser kann konkludent geschlossenen worden oder durch Nutzung des technischen Systems zustande gekommen sein. Und sie sind auch nicht für sich gesehen schlau: Ihre Funktionsweise gleicht nach derzeitigem Stand der Technik einem Algorithmus oder Warenautomaten. Darüber hinaus können Smart Contracts im Einzelfall auch Willenserklärungen erzeugen oder geschäftsähnliche Handlungen automatisiert vornehmen, z.B. im Falle einer verspäteten Zahlung automatisch eine Mahnung generieren.

Zukunft der Smart Contracts

Anwendungsfelder für Smart Contracts werden aktuell primär in der Finanzbranche zur Abwicklung von Transaktionen oder beim Börsenhandel, im Versicherungsbereich für die Abwicklung von Entschädigungszahlungen oder im eCommerce gesehen. Möglich sind auch digitale Zugangsberechtigungen und digitales Rechtemanagement. Das spielt insbesondere im Zusammenhang mit dem sog. Internet der Dinge (Internet of Things – IoT) eine Rolle. Wenn etwa der Kühlschrank selbständig überprüft, ob noch Butter da ist, und diese dann ggf. selbst nachbestellt. Hier dürfte die Fortentwicklung noch lange nicht abgeschlossen sein, da immer mehr Alltagsgeräte technisch verknüpft und „ans Netz gebracht“ werden. Auch im Zusammenspiel mit den sog. „Smart Meters“ (intelligente Messeinrichtungen) für Versorgungsdienstleistungen, z.B. Energielieferverträge, sind sie im Gespräch. Bei Nichtzahlung der Lieferkosten könnte uns der Smart Contract künftig so womöglich durch digitalen Fernzugriff automatisch „den Saft abdrehen“.

Klare Grenzen ergeben sich, wo es um die Durchführung individuell ausgehandelter Verträge, um unbestimmte Rechtsbegriffe oder Interessenabwägungen geht. Smart Contracts können hier allenfalls teilweise in ihrem spezifischen Anwendungsbereich die Vertragsabwicklung unterstützen. Der Vergleich hinkt aber schon insoweit, als Smart Contracts – anders, als es der Begriff nahelegen würde – nicht darauf abzielen, individuelle Vertragsgestaltung und Rechtsberatung zu ersetzen. Es geht vielmehr um die zunehmende Technisierung und Digitalisierung unserer gesamten Lebenswelt durch „intelligente“ Produkte, automatisierte Abwicklung, usw.

Interessant dürfte bei fortschreitender Entwicklung die weitere Verknüpfung von Smart Contracts mit künstlicher Intelligenz oder öffentlich verfügbaren Daten werden. Diese steht allerdings noch am Anfang. Entsprechendes gilt für die rechtliche Aufarbeitung und Erfassung der sich ständig weiter entwickelnden Technologie. Es ist anzunehmen, dass künftig auf Grundlage eines „Baukastenprinzips“ immer komplexere Smart Contracts programmiert werden können, die mit Informationen aus der realen Welt verknüpft sind und beispielsweise auch neue Rechtsprechung für die Vertragsdurchführung berücksichtigen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Autorin: Dr. Victoria Berger, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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