Unternehmen müssen IT-Mitarbeiter zum einen extern finden. Zum anderen muss das Management die Weichen so stellen, dass aus den eigenen Reihen Nachwuchskräfte heranwachsen. (Foto: istock/Gorodenkoff)
04. Januar 2022 – Viele Logistikunternehmen stehen aktuell vor einer Zerreißprobe, denn in den Betrieben werden im Zuge der Digitalisierung neue Fähigkeiten benötigt. Diese deckt die aktuelle Belegschaft mitunter nur bedingt oder gar nicht ab. Es sind Schlagwörter wie Data Science und künstliche Intelligenz, wenn es darum geht, neue Talente und Führungskräfte für das eigene Unternehmen zu begeistern.
Wie gelingt es also, die richtigen Mitarbeiter zu finden, zu erreichen und langfristig an sich zu binden? Die Frage stellt sich nicht nur Logistikunternehmen. In den meisten Arbeitsbereichen haben sich die Anforderungen im Zuge der Digitalisierung geändert, fachlich wie auch menschlich. Überall werden digitalaffine Führungskräfte gesucht, die Teams für neue Themen begeistern, sich schnell in neue Bereiche einarbeiten, Nackenschläge im Sinne scheiternder Projekte verkraften sowie transparent und offen kommunizieren.
Hinzu kommt: Nur wer die Tragweite, Einsatzgebiete und Wechselwirkungen mit dem eigenen Geschäftsmodell aus Managementsicht versteht und auf die individuellen Anforderungen des Unternehmens herunterbricht, kann seine Mannschaft ausrichten und führen. Dafür werden Allroundtalente benötigt.
Wenn man sich in der Branche umschaut – mit gänzlich neuen Geschäftsmodellen auf Basis der Plattformökonomie, fahrerlosen Transportsystemen und Automationslösungen –, scheint das Einstellen von Chief Digital Officers unvermeidlich. Jedoch ist nicht jede Technologie für jedes Unternehmen geeignet. Nur wer weiß, wo seine eigenen Grenzen liegen, und für sich eine passende Strategie gefunden hat, kann auch zielgerichtet nach passenden Führungskräften suchen.
Starke Kandidaten erkennen im Bewerbungsprozess Widersprüche schon frühzeitig und wägen für
sich ab, wie lohnenswert der Einstieg ist und welche Entwicklungsmöglichkeiten sich mit der neuen Tätigkeit ergeben. Deshalb ist eine realistische Eigeneinschätzung die Basis, um die besten Kandidaten zu finden.
Um die passenden Mitarbeiter zu gewinnen, ist es daher wichtig, die richtigen Signale zu senden und die Botschaften authentisch zu transportieren. Dies kann gelingen, indem Logistikunternehmer die folgenden Handlungsempfehlungen berücksichtigen:
Entwicklung fördern
Das Topmanagement sollte nicht nur offen für Veränderungen sein, sondern auch einen Überblick über aktuelle Trends und Technologien haben. Es sollte Impulse geben können, ohne stets auf die Organisation warten zu müssen.
Das große Ganze zeigen
Bewerber müssen erkennen können, welchen Beitrag das Unternehmen leistet und welche Projekte in Zukunft aus technologischer Sicht anstehen. Nur wer kontinuierlich an seinem eigenen Narrativ arbeitet, kann ein Höchstmaß an Wirksamkeit der Botschaft sicherstellen.
Raum lassen
Teams brauchen Freiraum zum Experimentieren oder um Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Micromanagement und Formalismus sind die meistgenannten Gründe, warum ambitionierte Manager ihren Arbeitgeber verlassen.
Keine Kickertische nötig
Die Attraktivität des physischen Arbeitsplatzes ist lediglich ein leichtgewichtiges Argument. Freiheitsgrade im Alltag, ein umsetzungsstarkes, erfolgshungriges Team und ein moderner Führungsstil sowie die Arbeit an großen, gemeinsamen Zielen sind erfahrungsgemäß der Grund für einen Wechsel.
Marktfähige Rahmenbedingungen
Jobtitel und eine adäquate Bezahlung sind Grundvoraussetzungen. Sollte ein Unternehmen mit seinem aktuellen Lohngefüge nicht wettbewerbsfähig sein, muss es angepasst werden. Alle vorliegenden Marktdaten geben keinen Hinweis darauf, dass die Löhne für die angesprochenen Qualifikationen mittelfristig wieder sinken werden.
Personal entwickeln
Das neue Gold am Arbeitsmarkt heißt Persönlichkeitsentwicklung. In einer Organisation muss Raum sein, damit Menschen sich entfalten können – als Individuum und im Team.
Diese Denkanstöße helfen nicht nur, Topleute zu erreichen und zu gewinnen, sondern auch, sie nachhaltig an das Unternehmen zu binden – immer vorausgesetzt, der oben genannte Wandel ist nicht nur oberflächlich oder phasenweise, sondern wird konsequent vorangetrieben, bis er Teil der Unternehmens-DNA wird. Das gibt interessierten Bewerbern Perspektive, die Aussicht auf Wachstum und die Chance zu Veränderung.
Perspektive ist auch ein Schlagwort für die suchenden Unternehmen: Sie sind gut beraten, den Blick nicht allein auf den Pool an Bewerbern der Branche gerichtet zu lassen. Denn es steht außer Frage, dass die richtigen Kompetenzen eher außerhalb der Logistik zu finden sind. Wandel kommt nämlich stets von außen. Um die besten Köpfe aus anderen Bereichen in die Logistik zu ziehen, müssen Logistikunternehmen spannende Umfelder schaffen, Mut zur Veränderung haben und Technologie mit der eigenen Prozessintelligenz verknüpfen.
Sobald es gelingt, IT-affine Nachwuchskräfte in eine operative Verantwortung zu bringen – oder umgekehrt, junge Führungskräfte in anspruchsvolle IT-Jobs zu befördern –, entsteht ein Pool an potenziellen Kandidaten für die neuen Top-Managementaufgaben. Dieser Weg ist nicht für jedes Unternehmen sinnvoll und gangbar. Auch das Outsourcing an leistungsfähige, externe Dienstleister, der Aufbau von Entwicklungspartnerschaften und die enge Zusammenarbeit mit Start-ups sind natürlich Möglichkeiten, um von den Entwicklungen zu profitieren und die eigenen Fähigkeiten zu erweitern. Eines ist jedoch sicher: Stillstand ist und bleibt Rückschritt, auch in der Logistik. (rok)
DVZ Artikel von Tim Oldiges