Bereits mit unserem Blogbeitrag vom 25.05.2020 haben wir über Urlaubsansprüche bei Kurzarbeit berichtet. Thema dieses Beitrags war insbesondere die Auswirkungen von Kurzarbeit auf die Urlaubsansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr. Die anteilige Kürzung solcher Urlaubsansprüche war nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) schon zum damaligen Zeitpunkt zulässig. Eine entsprechende Kürzungsmöglichkeit nach deutschem Urlaubsrecht erschien überwiegend wahrscheinlich. Die Kürzung hat mit dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf nun erstmals ein höherinstanzliches Gericht in Deutschland bestätigt (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021, Az. 6 Sa 824/20).
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit 2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist in einer Drei-Tage-Woche in Teilzeit tätig. Umgerechnet auf die Teilzeittätigkeit stehen ihr regulär 14 Arbeitstage Urlaub pro Jahr zu.
Die Klägerin befand sich infolge der Corona-Pandemie von April bis Dezember in Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. Die Beklagte gewährte der Klägerin im August und September 2020 insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub. Sie vertritt die Auffassung, der Urlaubsanspruch der Klägerin für 2020 sei hiermit bereits vollständig erfüllt. Nach der Klägerin hat die Kurzarbeit jedoch keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Die Kurzarbeit sei nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt. Ferner sei Kurzarbeit auch keine Freizeit. Die Klägerin unterliege während der Kurzarbeit Meldepflichten. Außerdem könne sie die freie Zeit nicht planen, da die Arbeitgeberin die Möglichkeit der kurzfristigen Beendigung der Kurzarbeit habe. Die Klägerin verfolgte mit der Klage die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der ungekürzte Urlaub von 14 Arbeitstagen zusteht. Die Arbeitgeberin begehrte die Abweisung der Klage. Mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit Null entstünden keine Urlaubsansprüche.
Entscheidung
Das LAG Düsseldorf bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und wies die Klage ab. Das Gericht urteilte im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGHs, wonach Ansprüche auf Urlaub während Kurzarbeit Null nicht entstehen. Solange keine Arbeitspflicht besteht, entsteht auch kein Anspruch auf Urlaub. Das LAG Düsseldorf stellte fest, dass das deutsche Urlaubsrecht zu dem europäischen Recht keine günstigeren oder anderslautenden Regelungen enthalte. Der Jahresurlaub ist für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um 1/12 zu kürzen.Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das LAG Düsseldorf hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ausdrücklich zugelassen.
Hinweis für die Praxis
Das Urteil des LAG Düsseldorf überrascht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGHs nicht sonderlich. Es bringt für die Rechtslage in Deutschland jedoch ein Mehr an Rechtssicherheit. Auch wenn eine abweichende Entscheidung des BAG unwahrscheinlich erscheint, empfiehlt es sich bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage, dass Arbeitgeber ausdrückliche Regelungen zur Kürzung von Urlaubsansprüchen bei Kurzarbeit Null in ihre Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen mit aufnehmen.
Inhaltlich ist die Entscheidung in jedem Fall zu begrüßen. Ein gesteigertes Erholungsbedürfnis bei Kurzarbeit Null, welches die Entstehung des Urlaubsanspruchs rechtfertigen würde, ist nicht ersichtlich. Sollte der Arbeitgeber die Möglichkeit der einseitigen Beendigung der Kurzarbeit haben, rechtfertigt dies auch keine anderslautende Entscheidung. Typischerweise enthalten derartige Beendigungsmöglichkeiten Ankündigungsfristen. Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch die einseitige Änderungsmöglichkeit wird somit ausgeschlossen. Ein urlaubsbegründendes Erholungsbedürfnis aus bestehenden Meldepflichten überzeugt ebenfalls nicht. Derartige arbeitsvertragliche Nebenpflichten sind bereits vom Umfang her nicht geeignet, dass sie bei Kurzarbeit Null einen Urlaubsanspruch begründen.
Autor: Steffen Linden, 03.05.2021