1. Beschluss der Bundesregierung
Am 15.07.2020 hat die Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen und anderer Gesetze“ (ArchLG) beschlossen. Der Beschluss umfasst auch Änderungen im Bereich des Vergaberechts. Das ArchLG bildet die Grundlage zum Erlass einer neuen HOAI.
Zur Erinnerung: In Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur EU-Rechtswidrigkeit verbindlicher Mindest- und Höchstsätze in der Deutschen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vom 04.07.2019 ergibt sich für den deutschen Gesetzgeber die Notwendigkeit, die gesetzlichen Grundlagen für die Honorierung von Architekten- und Ingenieurleistungen zu ändern. Der EuGH hatte entschieden, dass das zwingende Preisrecht gegen Europarecht verstößt, da es gegen die Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union verstoße.
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte im Sommer parallel den Entwurf der Verordnung zur Änderung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI-Änderungsverordnung) vorgelegt. Der Entwurf wurde zwischenzeitlich am 16. September 2020 von der Bundesregierung beschlossen, sodass nun noch der Bundesrat dem Entwurf zustimmen muss. Auf der Grundlage der vorgelegten Entwürfe kann dann auch eine Änderung der HOAI beschlossen werden, die dann ab dem 01.01.2021 in Kraft treten soll.
2. Wesentliche Änderungen der neuen HOAI
Die wesentlichen Neuerungen sind:
- Die Honorarregelungen der HOAI sind künftig nicht mehr zwingend, sondern das Honorar für Architekten- und Ingenieurleistungen kann frei vereinbart werden.
- Die Honorarregelungen der HOAI mit ihren Honorartafeln weisen „Orientierungswerte“ aus, die an der Art und dem Umfang der Aufgabe sowie an der Leistung ausgerichtet sind. Die Honorartafeln enthalten für jeden Leistungsbereich Honorarspannen (Basishonorarsatz bis oberer Honorarsatz), gegliedert nach den einzelnen Honorarzonen und den zu Grunde liegenden Ansätzen für Flächen, anrechenbaren Kosten, etc. An der eigentlichen Honorarberechnungsmethodik der HOAI ändert sich also nichts.
- Das Basishonorar kommt dann zur Anwendung, wenn die Vertragsparteien keine andere Vereinbarung treffen. Dabei werden die extrem strengen Formvorschriften der bisherigen HOAI („schriftlich bei Auftragserteilung“) deutlich gelockert. Eine Vereinbarung in Textform (egal zu welchem Zeitpunkt) ist möglich. Dies gilt auch für die Vereinbarung der Nebenkostenpauschale, die bislang ebenfalls „schriftlich bei Auftragserteilung“ zu vereinbaren war.
- Ist der Auftraggeber ein Verbraucher, muss der Planer diesen spätestens mit der Abgabe seines Honorarangebots in Textform darauf hinweisen, dass ein höheres oder niedrigeres Honorar als die in den Honorartafeln der HOAI enthaltenen Werte vereinbart werden kann.
Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass bei Erlass der neuen HOAI das Honorar künftig völlig frei vereinbart werden kann. Es ist zwar zu vermuten, dass sich der Praxis wegen der Honorarkalkulation nach wie vor an den Parametern der HOAI orientiert, aber die Möglichkeit einer Basissatzunterschreitung gerade bei größeren Bauvorhaben um sich greifen wird.
3. Weiter ungeklärt: Behandlung der Altfälle
Bis zum Erlass der neuen HOAI und dem Abschluss neuer Verträge auf deren Basis bleibt weiterhin ungeklärt, wie mit „Altverträgen“ umzugehen ist, die bereits abgeschlossen wurden bzw. zum Inkrafttreten der neuen HOAI abgeschlossen werden. Die Entscheidung des EuGH hat zu einer bis heute noch nicht abgeschlossenen Diskussion geführt, ob sie unmittelbar auf laufende Verträge und damit auch laufende Rechtstreitigkeiten in dem Sinne anwendbar ist, dass sich schon heute kein Architekt mehr auf die Geltung der Mindestsätze berufen kann. Mit anderen Worten: Hat ein Architekt oder Ingenieur einen Vertrag abgeschlossen, der die Mindestsätze unterschreitet, könnte er dann zum jetzigen Zeitpunkt keine so genannte Aufstockungsklage zur Erhöhung seines Honorars auf das Mindestsatzhonorar mehr erfolgreich durchführen
Es gibt zu dieser Frage bereits eine Vielzahl widerstreitender Instanz-Entscheidungen. Leider hat der Bundesgerichtshof in einem ihm vorgelegten Fall die Rechtsfrage nicht entschieden, sondern stattdessen dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
Bis zu dieser Entscheidung wird die Rechtslage also ungeklärt bleiben. Planern, die über solche Ansprüche verfügen könnten, ist also zu empfehlen, rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung verjährungshemmende Maßnahmen für diese Ansprüche zu ergreifen (bspw. eine Verjährungsverzichtsvereinbarung abzuschließen oder ggf. die Ansprüche gerichtlich geltend zu machen), um ggf. noch davon profitieren zu können, sofern sich zeigen sollte, dass die Entscheidung des EuGH keine unmittelbare Rechtswirkung entfalte.
Autor: Tobias Wellensiek
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Lehrbeauftragter an der Philipps Universität Marburg