Das im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 21. Dezember 2020 noch als „Betriebsrätestärkungsgesetz“ bezeichnete Gesetz hat in der Fassung des Regierungsentwurfs vom 31. März 2021 mit nur wenigen Änderungen am 21. Mai 2021 den Bundestag und am 28. Mai 2021 den Bundesrat passiert. Es ist bereits am 16. Juni 2021 in Kraft getreten. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung vor allem die Flexibilisierung der Betriebsratsarbeit, die Stärkung der Rechte des Betriebsrats sowie die Förderung mobiler Arbeit zum Ziel.
Virtuelle Betriebsratssitzung und elektronische Form
Wegen der Corona-Krise war die virtuelle Teilnahme an Sitzungen verschiedener Interessenvertretungen, insbesondere des Betriebsrats, aufgrund einer vorübergehend in das Betriebsverfassungsgesetz eingefügten Regelung befristet bis zum 30. Juni 2021 möglich. Durch die Neuregelung durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz können Betriebsräte nunmehr unbefristet Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchführen. Dafür gelten ausschließlich selbst gesetzte Rahmenbedingungen und der Vorrang der Präsenzsitzung. Mit der neuen Regelung soll eine sachgerechte und dauerhafte Regelung für die Betriebsratsarbeit geschaffen werden, die zugleich einen Beitrag zur Digitalisierung der Betriebsratsarbeit leistet. Die Möglichkeit der Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz besteht nach der Neuregelung unter anderem auch für Sitzungen von Gesamt- und Konzernbetriebsräten, Jugend- und Auszubildendenvertretungen sowie Sprecherausschüssen.
Betriebsvereinbarungen, Interessenausgleiche und Sozialpläne können nunmehr unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden. Entsprechendes gilt für den Spruch einer Einigungsstelle.
Mobile Arbeit: Mitbestimmung und Versicherungsschutz
Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sieht ferner ein ausdrückliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit („Wie“) vor. Bestimmte Regelungsgegenstände mobiler Arbeit (u.a. zur Arbeitszeit und zu technischen Einrichtungen) waren allerdings bereits zuvor mitbestimmungspflichtig. Die Entscheidung über die Einführung mobiler Arbeit („Ob“) liegt hingegen weiterhin beim Arbeitgeber – entsprechend der bisherigen Handhabung bei zahlreichen Fragen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten. –.
Nach der gesetzlichen Neuregelung besteht Versicherungsschutz bei Ausübung der Arbeit im Haushalt („Homeoffice“) oder an einem anderen Ort („mobiles Arbeiten“) nunmehr im gleichen Umfang wie bei Erbringung der Arbeitsleistung auf der Arbeitsstätte. Auch das Zurücklegen des Wegs von und zu einer Kinderbetreuungsmöglichkeit bei Arbeit im Homeoffice ist erfasst.
Ausweitung des vereinfachten Verfahrens bei Betriebsratswahlen und des Kündigungsschutzes
Der Anwendungsbereich des bereits bisher bestehenden vereinfachten Wahlverfahrens für die Wahl des Betriebsrats weitet sich auf Betriebe mit bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus. In Betrieben mit 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern unterliegt die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Wahlvorstand.
Außerdem weitet sich der Kündigungsschutz von Arbeitnehmern bei Gründung eines Betriebsrats dergestalt aus, dass nunmehr auch das Unternehmen von Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats erfasst ist, sofern eine öffentlich beglaubigte Erklärung des Arbeitnehmers über die Absicht der Errichtung eines Betriebsrats vorliegt.
Beteiligungsrechte beim Einsatz Künstlicher Intelligenz
Setzt der Arbeitgeber im Betrieb Künstliche Intelligenz ein, sieht das Gesetz seit dem 16. Juni 2021 verschiedene neue Regelungen vor. So wird z.B. die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen fingiert, wenn der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen muss. Auch hat der Gesetzgeber das Mitbestimmungsrecht zu Auswahlrichtlinien ausdrücklich um den Fall des Einsatzes Künstlicher Intelligenz erweitert.
Betriebsrat: Kein datenschutzrechtlich Verantwortlicher
Seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) war die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Betriebsrats bei der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten umstritten. Mit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes ist nun geklärt, dass der Arbeitgeber Verantwortlicher im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften ist, soweit die Verarbeitung durch den Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben erfolgt.
Fazit
Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz leistet einen – nicht zuletzt durch die Corona-Krise aufgezeigten – durchaus wichtigen Beitrag zur Vereinfachung der Betriebsratsarbeit im digitalen Zeitalter und erleichtert darüber hinaus flexible Arbeitsmodelle. Wünschenswert wäre es aber gewesen, wenn der Gesetzgeber an bestimmten Stellen noch einen Schritt weiter gegangen wäre, wie z.B. hinsichtlich der Einführung digitaler Betriebsratswahlen. Hier wird man möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt nachlegen. Auch bleiben bestimmte Fragen offen, wie z.B. die betriebsverfassungsrechtliche Definition des Begriffs der Künstlichen Intelligenz. Hier wird die Rechtsprechung bei der Auslegung dieses Begriffs gefragt sein.
Autor: Dominik Gallini, 21. Juni 2021